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Dialektik der Entwicklung und das Problem der Schuld

Baal HaSulam „Die Welt“: Die Samen und die Körner, aus denen die guten Zustände wachsen, sind nichts anderes als die schlechten Taten. Das Böse wird gesammelt bis eine solche Masse entsteht, welche die Gesellschaft nicht mehr ertragen kann. Dann zerstören die Menschen das Böse und erschaffen den wünschenswerteren Zustand.

Das ganze Schlechte soll offenbart werden, weil gerade daraus das Wohl wachsen kann. Denn es ist einfach unmöglich das Gute zu erlangen, wenn davor keine Offenbarung des Bösen geschah.

Im Prinzip gibt es hier nichts Neues. Abraham sprach darüber, das ist sowohl in der Kabbala als auch außerhalb von ihr bekannt. Dieses Prinzip wird durch die Geschichte, die Natur, die stufenweise dialektische Entwicklung sichtbar. Jeder Zustand existiert so lange, bis seine Mängel eine bestimmte Stufe erreichen, um nach draußen zum Vorschein zu kommen. Gerade diese Mängel zerstören den laufenden Zustand und bauen den folgenden auf. So sind eben die wissenschaftlich-historischen Tatsachen.

Nach denselben Gesetzen entwickelt sich auch der Mensch. Nicht von ungefähr hören die Kinder nicht auf ihre Eltern, das alles obliegt der Natur der Sache.

Frage: Wenn das Böse notwendig ist, warum wird dann der Schöpfer als „Gut und das Gute Schaffende“ bezeichnet?

Meine Antwort: Die Aussage charakterisiert die Tendenz der Entwicklung, die auf das Ziel gerichtet ist, aber nicht die Wege zum Ziel. Ob ich mich weiterhin entwickeln werde, wenn es mir gut gehen wird? Doch es ist unmöglich, sich aus dem guten Zustand  weiter zu entwickeln. Was wird mich vorwärts stoßen, wenn alles schon jetzt vollkommen in Ordnung ist?

Hier gibt es eben ein anderes Problem: das ganze Gute nehme ich als selbstverständlich an. Ich schätze das Gute nicht, ich verleihe ihm kein Gewicht. Und umgekehrt, das ganze Schlechte nehme ich wie eine unverdiente Last wahr.

Anders gesagt, ich wiege die guten und die schlechten Sachen auf verschiedenen Waagen, wobei die zusammengefasste Rechnung meiner Taten  anders ausfallen wird als die, die ich mir im Laufe des Lebens vorgestellt habe. Denn ich kann keine schmerzhaften „Injektionen“ des Lebens vergessen. Jemand wird sich über mich  verächtlich äußern – und ich ärgere mich einige Monate lang, bis ich die Möglichkeit habe „mich zu rächen“. Und alles, was ich im Laufe dieser Zeit innerlich erfahren habe ist normal und natürlich. „Er ist halt selber Schuld“.

Frage: Soll es dennoch ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Leiden und den Freuden geben? Stattdessen sagt man mir von vorne herein, dass ich eine Schuld beim Schöpfer habe. Es ist doch auch gesagt: „Alles ist gegen Pfand gegeben, der Laden ist geöffnet und der Händler macht eine Leihgabe. Das Buch ist geöffnet und die Hand zeichnet alles auf und jeder kann kommen und ausleihen … “ Was leihe ich eigentlich aus?

Meine Antwort: Der Sinn besteht eben darin, dass du die Ware aus „dem Laden“ schon heute nehmen kannst und diese aber erst später bezahlst. Heute ist auch bei den Genussmittelläden ein solches System vorhanden: der Wirt schreibt die Schulden der Stammkunden aus den nahegelegenen Häusern in ein Heft, und am Monatsende gleichen sie die Rechnungen aus. Somit kann man auf dem Weg zum Ziel auch leihen. Außerdem kannst du nicht in den Zwischenstadien, sondern erst später bezahlen, wenn du das Ziel erreicht hast.

Jetzt bittest du den Schöpfer nur um die Kräfte, weil du diese oder jene Wohltaten verlangst: „Wo ist Deine Freigiebigkeit? Wo ist Deine Güte?“ Bitte, nimm aus den Regalen alles, was du jetzt gerade willst. Und erst am Ende, wenn du deine gesamte Arbeit beendet hast, wirst du die Schuld begleichen.

Und eigentlich hast du dann schon nichts mehr, was du zurückgeben könntest – denn mit der Zeit hast du dich so verändert, dass du nichts mehr schuldig bist.

Also denke nicht, dass der Schöpfer deine Zahlung benötigt. Für Ihn ist nur deine Beziehung – das Einverständnis mit Seinen Schuldrechnungen wichtig. Ausgehend von „einer gesunden Selbstsucht” sehen wir hier einen gewissen „Trick“ seitens des Schöpfers, und in Wirklichkeit erfolgt alles im Gegenteil. Nachdem du einverstanden bist, die Kräfte für die Korrektur zu fordern, bekommst du sie sofort und begleichst alle offenen Rechnungen.

Auszug aus dem Unterricht nach dem Artikel „Die Welt“, 15.03.2013