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Die Sinfonie der Gegensätze

Kongress der Einheit. Lektion2

Wir sollen uns jedes Mal unseren folgenden Zustand vorstellen, wenn wir ihn erlangen wollen. Denn er existiert noch nicht: es gibt keine spirituelle Welt, es gibt keinen Schöpfer, es gibt nichts – ich baue alles in mir auf und alles hängt nur von mir, von meiner „Vorstellungskraft“ ab. Um auf die höheren Niveaus aufsteigen zu können, soll ich sie gedanklich bilden, sie mir vorstellen: „Wie kann meine nächste Stufe des Aufstiegs aussehen?“

Meine nächste Stufe ist die folgende: es gibt nicht „uns“, sondern es gibt nur mich, und alle sind in mir, alle sind – meine Teile. Nachdem ich jedesmal auf die neue Stufe aufsteige, sehe ich die ganze Welt in mir, in meiner Wahrnehmung, in meiner Empfindung.

Und dann sehe ich die Welt wieder zerbrochen, einzeln, in verschiedene entgegengesetzte Zustände zerstückelt. Ich soll die Teile wieder sammeln, in meinem Inneren ohne Unterschiede nach Liebe und Einheit streben.

So steige ich die 125 Stufen auf, erhöhe jedes Mal den Umfang, „das Bild meiner Wahrnehmung“. Jedes Mal schaue ich mit größerer Aufnahmefähigkeit in die Tiefe des Zerbrechens hinein und korrigiere es im entsprechenden Ausmaß. Denn gerade meine Wahrnehmung, meine Empfindung, welche die Einheit in Scherben auf die von mir entfernten, entgegengesetzten und verhassten Teile aufteilt, ist zerbrochen.

In „der Einführung zum Buch Sohar“ schreibt Baal HaSulam: Wir sollen dem Schöpfer dafür dankbar sein, dass Er in unserem Gehirn „diesen polierten Spiegel“ geschaffen hat, der es uns ermöglicht, alles außerhalb von uns zu sehen und zu begreifen. Denn dadurch hat Er uns die Kraft gegeben, jede Sache mittels der Vernunft zu begreifen, sie mit klarem Verstand von innen und außen zu beurteilen. Anderenfalls würde es uns an der Vielfalt des Wissens mangeln.

Anders gesagt, hätten wir den einzig wahrhaften und allein existierenden Zustand nicht begriffen. Wir könnten uns ihm nicht nähern, um seine Tiefe zu verstehen und zu fühlen, wenn wir nicht durch das Zerbrechen gegangen wären.

Deshalb ist der wahre Zustand absichtlich in Stückchen zerbrochen, wobei jedes von ihnen dem anderen entgegengesetzt ist. Alles, was einst verbunden war, ist jetzt geteilt; die gleichen Teile sind jetzt entgegengesetzt und das alles in solchen Formen, die wir uns noch nicht vorstellen können.

Wir bemühen uns jetzt, sie anhand eigener Anstrengungen zu verbinden, indem wir den Kopf beugen und den Freunden zustimmen. Ich will die Abstände zwischen ihnen entfernen – damit sie in mir, dank meiner Liebe und der richtigen Beziehung, vereinigt werden. Durch meine Absicht erlange ich das tiefe Verständnis für das Wesen von Malchut der Welt der Unendlichkeit, die meine einheitliche Seele ist.

Die Tiefe der Wahrnehmung wird gerade dank dessen erreicht, dass wir das Zerbrechen und die ihm entgegengesetzte Ganzheit offenbaren. Der Bruch zwischen ihnen ist so riesig, dass es besonderer Instrumente bedarf, und zwar der Gefäße des Empfangens. Und deshalb wird gesagt, dass wir unsere Gefäße “ 620 Mal“ vergrößern sollen – d.h., in ihnen eine solche Tiefe erreichen, die mit der Unendlichkeit verglichen werden kann. Und außerdem offenbaren wir im Gefälle zwischen zwei Zuständen – dem zerbrochenen und dem ganzen Zustand – die Lichter NaRaNChaY.

Alles in unserer Welt empfinden wir anhand der Gegensätze: Bitternis – Süße, Finsternis – Licht, Hass – Liebe usw. Das betrifft sogar die Musik und die Farbenwahrnehmung – jede Sache begreifen wir auf dem Gefälle zwischen ihrer beschädigten und korrigierten Form. Das eine ist immer gegenüber dem anderen.

Somit war die Unendlichkeit früher auch vollkommen, aber es geht um unser Begreifen: Wenn wir etwas ohne Gegenteil empfinden, dann können wir nur das winzige Licht Nefesch de-Nefesch fühlen. In unserer Welt gibt es kein einziges Stoffteilchen, in dem es nicht zwei Pole, den Plus- und den Minuspol, gäbe. Sogar die negative Ladung des Elektrons oder die positive Ladung des Positrons verbirgt in ihrem Inneren die Gegenteile, die wir noch offenbaren werden. Nach dem Zerbrechen gibt es kein Körnchen, in dem es nicht seinen Antipode gäbe, obwohl er uns nur in einem Aspekt, in einem Rand offenbart wird.

Und deshalb existierte das Geschöpf in der Bewußtlosigkeit, im vollen Unverständnis, als es sich ursprünglich in der Unendlichkeit befand. Denn es hatte keinen Vergleich, keinen Raum zwischen zwei Polen – keinen Ort für die Gedanken und die Wahrnehmung.

Deshalb ist die Unendlichkeit in der Welt Nekudim in Teile zerbrochen – so dass wir sie jetzt in der Tiefe verstehen und empfinden können. Es ist eben das Begreifen der Realität, das wir anstreben. Das ist unser Leben – die eigenartige Harmonie, die Sinfonie von Minus und Plus, in der das ganze Begreifen, das ganze Verständnis zwischen den Erscheinungsformen zweier Zustände liegt: dem zerbrochenen und dem ganzheitlichen.

Auszug aus der 2. Lektion des Kongresses im Norden, 20.09.2012