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Die Freiheit des Willens

Die Freiheit, Baal HaSulam

„In Steintafeln gemeißelt (charut al haluchot)“Lies nicht „charut“  („gemeißelt“), sondern  „cherut“  („Freiheit“).  Um zu zeigen, dass sie vom Engel des Todes befreit sind. (Midrash Shmot Raba, 41)

Mein Kommentar: Die Frage der Freiheit ist schwer zu verstehen. Man ist schnell verwirrt: Was ist Freiheit? Was sind die Steintafeln? Was bedeutet „gemeißelt“? Was soll „Engel des Todes“ bedeuten? Diese Dinge sind vor uns verborgen. Niemand kennt ihre wahre Bedeutung. Doch wir wollen gemeinsam diesen Artikel studieren, um den Dingen auf den Grund zu gehen.

Diese Worte müssen geklärt werden. Denn wie hängt das Empfangen der Tora, d.h. des Lichtes, mit der Freiheit eines Menschen vom Tod zusammen? Darüber hinaus, nachdem sie einmal einen unsterblichen, ewigen Körper durch das Empfangen des Lichtes erhalten haben – wie konnten sie ihn wieder verlieren? Kann sich denn das Ewige wandeln und abwesend sein?

Mein Kommentar: Diejenigen, die die Kabbala studieren, wissen, dass der Körper das „Verlangen zu empfangen ist“, welches korrekt in HaWaYaH in 10 Sephirot arrangiert ist. Das „Verlangen zu empfangen“ ist nicht unser biologische Körper, aber wenn das Empfangen auf die Absicht zu geben ausgerichtet ist, erhält es entsprechend der Größe dieser Absicht Lebenskraft und der Körper wird damit zu einem ewigen Körper. Daher müssen wir das Verlangen zu empfangen, das in seiner ursprünglichen Form als „Tod“ bezeichnet wird, in ein Verlangen zu geben verwandeln. Dann wird es „Leben“ genannt. Das Höhere Licht breitet sich darin aus und verleiht ihm Ewigkeit.

Die Freiheit des Willens. Um diesen hären Begriff – „Freiheit vom Engel des Todes“ – zu verstehen, müssen wir zuerst klären, wie der Begriff der Freiheit von der Menschheit üblicherweise verstanden wird.

Mein Kommentar: Die Unterscheidungen in der Kabbala weichen von jenen der Menschen ab. Die Kabbala spricht von der Höheren Welt, in der sich die Eigenschaften gegenteilig verhalten. Wie geschrieben steht: „Ich sah eine umgekehrte Welt“. Und in unserer Welt verhalten wir uns entsprechen den irdischen Eigenschaften. Daher müssen wir beide in ihren Unterschiedlichkeiten beleuchten.

Es herrscht die allgemeine Ansicht, dass Freiheit ein Naturgesetz ist, das für alle Lebewesen gültig ist. So können wir beobachten, dass Tiere, die in Gefangenschaft geraten, oft leiden und krank werden, wenn ihnen die Freiheit genommen wird. Das ist ein klarer Beweis, dass jegliche Versklavung eines Geschöpfes von der Vorsehung nicht akzeptiert wird. Nicht umsonst hat die Menschheit in den letzten Jahrhunderten dafür gekämpft, ein gewisses Maß an Freiheit für den einzelnen zu erreichen. Dennoch bleiben die Vorstellungen, die sich mit dem Wort „Freiheit“ verbinden, unklar. Und wenn wir in die Tiefe der Bedeutung dieses Wortes eintauchen, bleibt beinahe nichts übrig. Wenn man Freiheit des Individuums einfordert, geht man von der Annahme aus, dass ein Individuum in sich diese Eigenschaft, welche „Freiheit“ genannt wird, besitzt und aus eigener Entscheidung und freier Wahl heraus handeln kann.

Mein Kommentar: Wir wissen nicht, was Freiheit ist. Aus der Geschichte kennen wir die Sklaverei. Auch heute noch gibt es sie mancherorts. Ist es gut oder schlecht, ein Sklave zu sein? Ist man etwa heute in der entwickelten, modernen Welt kein Sklave? Wir schulden jedem etwas. Der Familie, dem Staat, der Bank. Wir haben unzählige Verpflichtungen. (…) Jeder Mensch will Freiheit. Auch ich. Auch ein Tier oder eine Pflanze. Jedes Geschöpf besteht aus dem Wunsch nach der Erfüllung seines Verlangens zu empfangen. Alles zu haben, was man benötigt. Und die angestrebte Freiheit bezieht sich im Allgemeinen darauf, von diesem Verlangen nach Wunscherfüllung frei zu sein, frei von jeglichen Mängeln und Sehnsüchten. Auch eine Pflanze funktioniert so: Sie benötigt Erde, Mineralstoffe, Sonne, Wasser, um in Erscheinung zu treten. Alles dreht sich um die Existenz. Daher war und ist niemand jemals frei.

Freude und Schmerz. Wenn wir jedoch die Handlungen eines Individuums genauer betrachten, entdecken wir, dass die Handlungen zwangsläufig erfolgen. Der Mensch wird zu seinen Handlungen genötigt und hat keine Entscheidungsfreiheit. In gewisser Weise ist der Mensch wie ein Eintopf, der am Herd dahinköchelt; der Eintopf hat keine andere Wahl als zu köcheln. Die Vorsehung hat das Leben mit zweierlei Konsequenzen versehen: Freude und Schmerz. Die Geschöpfe haben nicht die Freiheit zwischen Freude und Schmerz zu wählen. Der einzige Vorteil, den der Mensch gegenüber dem Tier hat, ist, dass er ein entferntes Ziel anstreben kann. Das heißt, im Hinblick auf den in der Zukunft zu erwartenden Genuss bzw. Vorteil ist der Mensch bereit, dafür heute ein gewisses Maß an Schmerzen zu erleiden.

Mein Kommentar: Wir befinden uns ständig zwischen Freude und Schmerz. Denn wir haben ein grundsätzliches Verlangen danach, Genuss und Befriedigung zu erfahren. Diesem Wunsch jagen wir unaufhörlich hinterher bzw. versuchen zumindest, dem Schmerz zu entkommen. Man nimmt ein gewisses Maß an Leid auf sich, um letztendlich Genuss zu empfangen. Man macht Berechnungen, die sich nur auf dieses Ziel konzentrieren. Man akzeptiert z.B. das Leid eines chirurgischen Eingriffs, damit es einem hinterher besser geht. Man akzeptiert das Leid, um zum Ziel zu gelangen: Genuss und Freude zu erfahren.

(…)

Dem nicht genug – auch die Art des Genusses und seines Nutzens sind in keinster Weise vom freien Willen des Einzelnen beeinflussbar, sondern werden von den Wüschen der umgebenden Gesellschaft festgelegt. Diese will etwas Bestimmtes. Zum Beispiel: Ich sitze, ich kleide mich, ich spreche, ich esse. Alle diese Dinge tue ich nicht, weil ich mich entschieden habe, in einer bestimmten Art zu sitzen, zu sprechen, zu essen oder mich zu kleiden. Ich tue diese Dinge auf diese bestimmte Art, weil die anderen wollen, dass ich in dieser Weise sitze, mich kleide, spreche und esse. All dies geschieht in Anpassung an die Wünsche und den Geschmack der Gesellschaft und nicht aufgrund meines eigenen freien Willens.

Mein Kommentar: Ich wurde auf bestimmte Weise aufgezogen, erzogen und beschränkt. Selbst meine Hobbies, meine Wünsche, was ich gerne habe und was nicht – alles wird durch die Umgebung geprägt, in welche ich geboren wurde: Familie, Schule, Nachbarschaft, Freunde, Medien u.s.w. Ich passe mich den Gesetzen der Gesellschaft an, weil ich mich sonst schämen würde. Wir sehen, dass der Mensch keinerlei Freiheit besitzt.

Aus dem Unterricht „Die Freiheit“, von Baal HaSulam, 20.6.2016